Interview zu "KEEP KARLSRUHE BORING"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRITIKEN ZU "DAMALS IM SALON DER HUNDERT"

 

  

 

 

   

 

 

 

 

 

   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

BESPRECHUNG DES BURNING ISSUES FESTIVAL AUF KAMPNAGEL IN: "THEATER HEUTE" (01/2021)

 

    

 

 

 

 

    

    

 

 

 

 

    

 

 

 

    

KRITIKEN ZU "CARE AFFAIR"

HAMBURGER ABENDBLATT    

 

    

 

 

    

 

 

   

    THEATER HEUTE (07/2021)

 

 

 

   

 

 

 

   

 

 

 

   

KRITIKEN ZU "SMELLS LIKE GREEN SPIRIT"

 

 

 

 

Klimaschutz auf der Theaterbühne

25.10.19 Esslinger Zeitung

Gregor Schuster zeigt am Zimmertheater Tübingen eine Stückentwicklung zum Klimaschutz

 

Mit einer Stückentwicklung zum Klimaschutz greift das Zimmertheater aktuelle Diskurse auf. Gregor Schuster hat einen Theaterabend über die aktuelle Debatte in Szene gesetzt.

 

Tübingen

Das Trojanische Pferd steht in der Mitte des ehemaligen Kinosaals im Tübinger „Löwen“. Bei genauem Hinsehen entdecken die Betrachter, dass der Pferdekopf aus Müll gebaut ist. Telefonhörer, Holzplatten, altes Spielzeug und manches mehr sind da verbaut. In der Mythologie waren in dem Gaul Soldaten versteckt. Durch diese List gewannen die Trojaner den Krieg. Das ist heute anders. Ihr eigener Müll fällt auf die Menschen zurück. In der Nebenspielstätte des Zimmertheaters Tübingen hat Regisseur Gregor Schuster die Stückentwicklung „Smells Like Green Spirit“ realisiert. Klug untersucht er die Kehrseiten des grünen Gewissens, das in Mode ist; der Titel ist aus einer Manga-Serie entlehnt. Doch nehmen die Menschen die Bewegung wirklich ernst?

Im Vorfeld des Klimastreiks im September trafen sich die Theatermacher mit Studierenden, Schülern und Auszubildenden, die in der Universitätsstadt leben, im ehemaligen Gasthaus, das schon in den 30er-Jahren ein wichtiger Versammlungsort in Tübingen war. Dabei ist ein Abend entstanden, der nicht nur die Kraft von Jugendbewegungen im 20. und 21. Jahrhundert spiegelt. Gemeinsam mit jungen Leuten aus der Stadt untersuchen die Schauspieler Ängste ihrer Generation in Zeiten des Klimawandels.

 

Diskurse ins Theater tragen

„Menschen mit unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten“ wollten die Intendanten Peer und Dieter Ripberger bei dem Projekt zusammenbringen. Die Theaterchefs und ihr Team reizt der Blick auf die multikulturelle Gesellschaft in Tübingen, die „so viel mehr Seiten hat als allein die Universität“. Ihnen ist es wichtig, gesellschaftliche Diskurse ins Theater zu tragen. „Institut für theatrale Zukunftsforschung“ nennen sie ihr Projekt am Zimmertheater.

Auf gesellschaftliche Vielfalt lenkt Gregor Schuster den Blick des Publikums. Doch zunächst setzt seine Stückentwicklung bei der Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber des Jugendprotests der Bewegung „Fridays for Future“ an. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die gesellschaftlichen Vorteile durch bezahlbare Flugreisen die Umweltaspekte um ein vielfaches übersteigen. Aus diesem Grund werde ich auch in diesem Jahr und in Zukunft auf keine einzelne Flugreise verzichten.“ Da zitiert der Performer Mario Högemann den Kommentar eines jungen Geschäftsreisenden, den er auf der Homepage einer großen Wochenzeitung gepostet hat. Trotz der beeindruckenden Demonstrationen junger Menschen in aller Welt hat in den Köpfen der meisten Menschen noch kein wirkliches Umdenken stattgefunden. Dieses Dilemma bringt Schusters Inszenierung klug auf den Punkt.

Der Autor, der 2018 seinen Abschluss an der Theaterakademie Hamburg gemacht hat, verankert seine Theaterprojekte in gesellschaftlichen Prozessen. Die Teilnahme am Klimastreik in Tübingen mit einer großen Demonstration vor den Universitätsgebäuden stand für das Zimmertheater-Ensemble und die Bürgerbühne im Mittelpunkt der Probenarbeit. Schusters Textfassung, die im Programmbuch nachzulesen ist, greift die aktuellen Diskurse auf, ohne dabei plump zu wirken. Das liegt daran, dass er die aktuelle Jugendbewegung klug im historischen Kontext verankert. Gewitzt bringt Thea Rinderli die Unterschiede einstiger und heutiger Rebellen auf den Punkt auf den Punkt: „Was früher subversiv war, kannst Du heute im Laden kaufen. Che-Guevara-T-Shirts und Anarcho-Sticker.“ Schuster spürt aber auch der nationalsozialistischen Geschichte Tübingens nach – im Juli 1933 fand dort vor der malerischen historischen Kulisse der „Hitlerjugendtag“ statt.

Eigene Erfahrungen der Spieler fließen in die lebendige Performance ein. Das macht die Produktion so überzeugend. Christopher Wittkopp reflektiert seine eigene Zeit im Jugendhaus und als Mitglied einer Band, die am Ende zerbrach. Schon im Privaten verpufft so die „Politik der Affekte“.

Nicht nur schauspielerisch, auch als Band überzeugt das Ensemble des Zimmertheaters. Schuster bindet auch die jungen Menschen der Bürgerbühne ein, ohne sie zu überfordern. Nach der Performance im „Löwen“-Saal führen sie das Publikum in Pfadfindermanier durchs Haus. Als die Zuschauer in einem Müllberg aus Computern der ersten Generationen eingezwängt werden, wird manchem bewusst, wie sehr der Zivilisationsmüll nach und nach die Umwelt zerstört. Künftige Generationen bleiben auf den Bergen der Wegwerfgesellschaft sitzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tübingen on Fire

 

Aus: Kupferblau das Campus Magazin am 20-10-2019

 

Vergangenen Samstag feierte das Zimmertheater mit der eindringlichen Inszenierung „Smells like green spirit“ eine revolutionäre Premiere im Löwen. Das Institut für theatrale Zukunftsforschung machte mit dieser gedankenverändernden Darstellung seinem Namen alle Ehre. Basierend auf der Tatkraft der ITZ-Jungendgruppe #diesejungenleute forschte das Ensemble im Geist früherer Revolutionäre. Es gilt zu verstehen, woraus die Materie von Veränderungslust besteht. Lasst euch ein, auf eine Reise voller Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Kämpfergeist.

 

Um einen ausgeklügelten Start in die neue Spielzeit zu verwirklichen, setzten sich diesmal unterschiedliche Tübinger Initiativen wie die Bürger-/innenbühne sowie das Jungendensemble des ITZ an einen Tisch voller expressiver Theaterkunst. Die Eindringlichkeit des Stücks lebt von der Buntheit dieser Menschenvielfalt, wo alle für eine andere Idee brennen, aber gleichzeitig durch ihren Rebellionsdrang eine starke Gemeinschaft bilden. Die Brisanz von Fridays for Future oder die Grenzen der Digitalisierung lassen weltweit Stimmen erschallen. Dass es vor allem junge Stimmen sind, die lautstark mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, zeigt uns diese Performance.

Zwischen Resignation und Rebellion.

 

Von Willenskraft und Wutbewältigung

Im ersten Teil der Inszenierung erzählen drei ehemalige Jungendrebellen von ihren aufwühlenden und prägenden Erfahrungen. Monologartig lassen sie die Zuschauer an ihrer bunten Gefühlswelt teilhaben. Ein passionierter Musiker zerbricht am gescheiterten Traum einer Musikkarriere. Kein German Dream – vom Tellerwäscher zum Rockstar – stattdessen gibt der wirtschaftliche Status des Elternhauses den Ton  an. Die Zuschauer werden außerdem aktiv Teil eines Rainbow Gatherings, in dem ein gemeinschaftliches Liebesgefühl à la Hippie Manier vorherrscht. Und sollte in einer gemeinsamen Protestbewegung nicht Gendergleichheit herrschen? Offensichtlich ist dies nicht immer der Fall. Dennoch verbindet jede demonstrative Verbindung dieselbe Kraft, nämlich für ein bestimmtes Ideal zu kämpfen. Protestrufe sowie laute Rockpunkmusik rufen auf der Bühne eine euphorisierende Dynamik hervor. Die teils gewaltsame Repression des Staates gegen friedlichen Demos wie Stuttgart 21 lassen entweder hilflos verzweifeln oder die Wut und den Wunsch nach Rebellion verstärken. Ein Wechselbad der Gefühle.

 

No Future for Fridays?

Im Fokus der Dialoge steht auch die brandaktuelle Nachhaltigkeitsdebatte. Langsam scheint sich trotz bewegender Fridays for Future Demos hilflose Resignation einzustellen. Ist es zu spät, um die Menschheit zur Rettung von Mutter Erde zu mobilisieren? Reicht vielleicht ein Kreuz für die Grünen, um das plastiküberschwemmte Gewissen zu beruhigen? Die Zuschauer durchlaufen eine halbstündige Reise durch die Räume des Hauses, wo sie auf verschiedene Jugendbewegungen treffen. Sie begegnen verzweifelte Rebellen, die isoliert nach einer Erleuchtung suchen. Bahnbrechende Erfindungen hatten vor 20 Jahren das Potential die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ein Traum, der durch die Instrumentalisierung der digitalen Welt in den Dreck gezogen wurde. Es müssen neue Zukunftsutopien her, für die wir brennen können! Auch Schlagzeilen von Politikern, die in der Flüchtlingspolitik über Leichen gehen, lassen nicht mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Am Ende lässt das gesamte Ensemble hymnenartig Greta Thunbergs Worte im Theatersaal erklingen. „Panic! […] Act as if the house was on fire”. Die Kraft einer starken Gemeinschaft, aber auch die damit verbundene Verantwortung hinterlässt somit ein Gefühl von Hoffnung und Zuversicht.

 

Im Rausch der Rebellion

Für die Sinnsuchenden auf der Bühne wird klar, dass Rebellion heutzutage schwieriger und komplexer geworden ist als noch zu Zeiten der 68er-Bewegung. Lohnt es sich noch, in einem wachstumsorientierten und angepassten System die vorherrschenden Verhältnisse wenden zu wollen? Die Rebellen auf der Bühne zeigen sich berauscht von adrenalingesteuerten Träumen. Ein gemeinschaftlicher Rausch, in dem man für ein friedliches Ideal unmittelbar und direkt kämpft und Farbe bekennt. Keine Angst vor Veränderung zu haben – das ist die Devise. Veränderung scheint mit freien Gedanken und dem Entsagen der Illusion von ewiger Stabilität zu beginnen, unabhängig von politischen oder gesellschaftlichen Stolpersteinen.

„Smells like teen spirit“ ist noch an folgenden Terminen jeweils um 20 Uhr im Löwen zu sehen:  24.10., 25.10, 26.10, 31.10, 01.11. Also sichert euch rechtzeitig Tickets! Es lohnt sich.

 

Rebellen mit Trojanischem Pferd im Zimmertheater Tübingen

 

In »Smells Like Green Spirit« nimmt das Zimmertheater Jugendbewegungen gestern und heute unter die Lupe 

Aus: Reutlinger Generalanzeiger 14.10.2019

 

»Smells Like Green Spirit«: In der Produktion des Tübinger Zimmertheaters im früheren Löwenkino singt das Ensemble am Ende ein Lied von Wir sind Helden. FOTO: Zimmertheater »Smells Like Green Spirit«: In der Produktion des Tübinger Zimmertheaters im früheren Löwenkino singt das Ensemble am Ende ein Lied von Wir sind Helden.

 

TÜBINGEN. Sie haben sich ein Trojanisches Pferd aus Wohlstandsmüll gebaut, sie singen zuletzt ein Lied von Wir sind Helden, ihr Auftritt wird zur Protestperformance. Zuvor jedoch haben sie die Jugendbewegungen der Vergangenheit sehr kritisch befragt. Mit »Smells Like Green Spirit« eröffnete das Zimmertheater Tübingen am Samstag seine neue Spielzeit. Im ehemaligen Löwenkino irrt das Publikum durch die Geschichte, um zuletzt in einer Gegenwart anzulangen, dringlicher denn je.

»Ich wusste selbst nicht, wie ich das jetzt gerade empfinden soll, wenn ich gleich von einer wildfremden Person auf die Wange geküsst werde«, erzählt Thea Rinderli. Eben hat sie davon berichtet, wie sie in ihrer Jugend mit einer Freundin durch die Schweizer Alpen wanderte und auf ein »Rainbow Gathering« traf, eine Zusammenkunft anarchischer Naturjünger, und daran teilnahm – zuerst.

 

Echt oder nur aufgesetzt?

Das Publikum im Tübinger Löwen hat, nach ihrer Anweisung, einen Kreis gebildet, alle haben sich an den Händen gefasst, und in jenem Augenblick, in dem Thea Rinderli ausspricht, wie seltsam sie selbst dies fand, haben sich auch schon alle brav auf die Wange geküsst, reihum. Als sie dann aber noch die Arme schwenken und gemeinsam singen sollen: »We are circeling, circeling …« – da lassen die ersten Theaterbesucher auch schon los und beginnen zu lachen. »Was war das für eine Gemeinschaft?«, fragte sich auch Thea Rinderli damals. »War das jetzt echt oder nur aufgesetzt?«, fragt Mario Högemann jetzt. »War das jetzt ideologisch? War das eine Utopie?«, fragt Christopher Wittkopp.

Auch Högemann und Wittkopp berichten davon, wie sie Teil einer Jugendbewegung sein wollten – als Sänger einer Band, die schließlich doch kommerziell wurde und verblasste, als Besucher einer Demonstration gegen Rechts und eines besetzten Hauses. Die drei Ensemblemitglieder des Zimmertheaters schildern aus ihrer jeweils persönlichen Sicht, wie Jugendbewegung und Protest für sie zur Erfahrung von Konformismus wurden, zu einer Enttäuschung. Dann beginnt eine Reise zu den historischen Wurzeln deutscher Jugendbewegungen.

»Smells Like Green Spirit«, geschrieben und inszeniert von Gregor Schuster, funktioniert wie andere Stücke des Zimmertheaters, wieder als Collage aus Szenen und Zitaten. Dieses Mal allerdings arbeitet diese Collage nicht mit Quellen zeitgenössischer Kritik und Theorie. Stattdessen hängt an der Theke des Löwenkinos eine Punkerin und rebelliert wütend gegen die DDR. »Eine Bullenfrau hat mir einen Lappen gegeben. Den musste ich mir zwischen die Beine stecken und danach in ein Weckglas mit meinem Namen legen.«

 

Assimilation und Widerstand

Zwei Wandervögel, Angehörige der historischen Bewegung, singen ein Lied von Hannes Wader, führen das Publikum hübsch ironisch durch den Löwen, zu solchen Szenen, die sich überall, in den Kammern, auf den Treppen, Stufen, Stockwerken des ehemaligen Lichtspielhauses finden. Margarete und Ernst, heißen die beiden Vögel, sie treten auf in vertauschten Geschlechterrollen – Margarete, bärtig, muss sich späterhin von Ernst, in Hosen, manches Diskriminierende anhören, und klar wird, wo auch bei diesen Romantikern dunkle Flecken lagen. Das Publikum lernt etliche Facetten des Jugendprotestes kennen – den impulsiv-aggressiven des Punk, das laut geschriene »Alles ist am Arsch«, die donnernden Gitarren, das Pendeln zwischen Assimilation und Widerstand, die Frau, die sich still in ihrer Kammer als Mann zurechtmacht, aus dem Fenster ruft und dabei einen Song von Lou Reed hört.

Pop-Musik, Rock-Musik: ohnehin überall in diesem Stück. Das Ensemble des Zimmertheaters führt Stücke von Tocotronic auf, bringt Stephen Stills »For What It’s Worth«, Protestsong der Hippie-Ära, als Rap, spielt Filmszenen nach, spielt mit Identifikationsangeboten von Links und Rechts, geht umher in kultischen Roben, umkreist die Müllskulptur in der Mitte der Bühne, und befragt diese Momente, immer wieder, manchmal hinreißend komisch, dann bitter ernst.

Das Stück stemmt sich, mit großer Materialfülle und viel schauspielerischer Energie, gegen jede Vereinheitlichung des Protests – am klarsten ganz zuletzt mit einem Zitat von Sasha Marianna Salzmann, Hausautorin am Berliner Maxim-Gorki-Theater: »Wir müssen uns nicht in allem einig sein, wir müssen uns nicht einmal mögen. Aber wir wissen um die Kraft der Allianzen.«

 

Skulptur aus Verworfenem

Dieses Wissen hat das Zimmertheater mit »Smells Like Green Spirit« sehr anschaulich in Szene gesetzt. Zum ersten Mal sind an einem Stück des Theaters »#diesejungenleute« beteiligt, eine Gruppe Tübinger Laien, die seit der vorigen Spielzeit im Theater probten und nun eine starke Vorstellung abliefern, ob als Wandervogel oder Polizist. Theateraktionen auf Tübinger Straßen flossen in die Inszenierung ein, Workshops und Upcycling-Aktionen, Beiträge unterschiedlicher Tübinger Gruppen. Und mit dem Trojanischen Pferd, das zuletzt auf die Bühne kommt, dieser Skulptur aus vielem Verworfenen, zog das Zimmertheater bei der globalen Klimademonstration am 20. September durch Tübingen: das Theater als Form selbst wird zur Allianz, zum Protest, der jede Differenz mitträgt. (GEA)

    

   

   

 

 

 

   

 

 

 

  

  

Kritiken "When I feel small and insignificant"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kritiken "Katapult Kapitulation"

 

Radio-Beitrag von Peter Helling bei NDR Kultur

   

   

   

 

 

 

 

  

 

Katapult Kapitulation, Kampnagel

 

 

Aufruf zur Revolution

 

Eine Zustandsbeschreibung von heute trifft auf ein Kriegsdrama aus der Zeit des ersten Weltkrieges. Eine Textfläche von Lena Biertimpel trifft auf ein Stationendrama "Die 'Wandlung" von Ernst Toller. Jungregisseur Gregor Schuster kombiniert für seine Abschlussinszenierung an der Theaterakademie beides zu einem zweieinhalbstündigen Showprogramm. Er konfrontiert die Wandlung, die Friedrich während des ersten Weltkrieges durchmacht, mit dem Abbild der Gesellschaft von heute. Welche Fragen treiben die heutige junge Generation um? Wofür wollen sie sich engagieren? Wofür lohnt es sich ihrer Meinung noch zu kämpfen, so wie es Friedrich einst tun wollte, nachdem er die Gräuel des ersten Weltkriegs hautnah miterlebt hatte?

Schuster nutzt die Räume, die Kampnagel zu bieten hat, voll aus. Die Inszenierung beginnt draußen vor dem Foyer, wandert um die Hallen herum auf das ehemalige Sommerfestivalgelände, macht Zwischenstation in einer leeren Perfromancehalle und führt die Zuschauer schließlich in die K2. Immer treffen sie eher auf Installationen in Werkstatträumen als auf ein übliches Theatersetting. Erst ganz zum Schluss dürfen sie in der K2 Platz nehmen. 

Viel wird die Zuschauern geboten im Laufe der 150 Minuten. Ein Konzert der Band "Bürgermeister der Nacht", eine Ausstellung von Kunstwerken der Bildhauerei und Malerei und Videoprojektionen auf drei Leinwänden. Die Beaufsichtigung und Animation durch den schwarz-weißen Chor ist dabei den Besuchern stets sicher. Dazwischen geistern die Personen aus Friedrichs Lebensweg herum: Versehrte des Krieges, verwundete Soldaten, Generäle, Ärzte, Kirchenvertreter und Kameraden sind Teil der Bühneninstallation. Viel hat der Zuschauer zu sortieren, bis sich eine Art von Verständnis aufzutun scheint. 

Als sich zum Schluss der Regisseur mit dem gut sichtbaren Logo "Regie" aus Klebestreifen auf seinem Rücken nach vorne begibt und seinen Aufruf zur Revolution gegen die Ungerechtigkeiten eines Unrechtstaates und wenig später eine dunkelhäutige Schauspielerin ihre Wut gegen den latenten und offenen Rassismus in dieser weißen ignoranten Gesellschaft herausschreit, ist die Zielrichtung von Schusters Arbeit klar geworden: Es ist höchste Zeit, auf die Straße zu gehen. Friedrich wollte für den friedlichen Humanismus kämpfen. Die jungen Vertreter der heutigen Zeit sprechen sich eher für einen radikalen Umsturz jetziger Machthaber ein, zur Not auch mit Gewalt. 

Schuster hat einen unterhaltsamen Abend voller Überraschungen in Szene gesetzt. Langweilig wurde es nie, dafür schien die Zielrichtung oft über der Ideenvielfalt aus dem Blick geraten zu sein.

Birgit Schmalmack vom 15.3.18 auf www.hamburgtheater.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KRITIKEN ZU BLA BLA LAND

 

St. Pauli Theater, Oktober 2017

 

Musical als Narrativ der Utopie, davon träumt Gregor Schuster „In Bla-Bla-land“. Könnte man nicht auf der Bühne eine Wirklichkeit entwerfen, die ein Gegenentwurf zur Realität auf der Straße heutzutage sein könnte? Dann geht der Vorhang auf für das Kollektiv „Cointreau on Ice“, das in ihrem Gartenzelt und in der Hollywoodschaukel davon träumt, wie eine Freiheit von gängigen Normen aussehen könnte. Wenn jeder ohne Rücksicht auf Geschlecht, üblichen Geschmack, Modetrends, Kleiderordnungen, Verhaltensnormen, Kunstgeschmack ihren eigenen Ausdruck finden dürfte. Jeder seinen Musikstil, seinen Tanzstil, seine Modestil frei wählen dürfte, je nach derzeitiger Lust und Laune und sie auch im nächsten Augenblick ohne Erklärungsnotstand wieder verändern dürfte. Wäre das nicht Individualität und Freiheit, von der diese Gesellschaft dauernd spricht, aber leider nur vorgibt zu leben. In ihrer Nummerfolge erprobt das multiprofessionelle und multikulturelle Performancekollektiv neue Formen mit viel Musik und Tanz. Womit sie bisher in Clubs und Festivals tourten, zeigten sie nun auf einer Theaterbühne. Es funktionierte auch hier. 

 

Birgit Schmalmack vom 24.10.17 auf www. hamburgtheater.de